Wednesday, October 28, 2009

Shit happens / Service auf Bonaire – Teil 5 oder The Final

Fröhlich radle ich die Tage auf Bonaire umher und freue mich meiner Mobilität und Fahruntersatzunabhängigkeit, die mich innerhalb von Kralendijk und Umgebung alles flexibel und fast annähernd bequem (der Sattel ist so weich wie ein hölländischer Holzschuh) erreichen und erledigen lässt. Selbst das Ausbalancieren einer 2. Einkaufstüte mit meinem 20-Tonnen-Rucksack gelingt mir mittlerweile in akzeptabler Manier. Ein meist lebensmüde erscheinendes Unterfangen, nach dem man sich in bloßer Dankbarkeit darüber, nicht von vorbeidonnernden Pickups und Geländewagen von der Straße geschmettert und gegen den nächsten Strommasten geklatscht worden zu sein, unterwürfigst auf selbiges Asphalt-Schotter-Gemisch werfen möchte, um aus möglichst ehrfürchtiger Position seinen potentiellen Lebensbeendigern für die eigene zweite Chance, das Leben erleben zu dürfen, die Füße küssen möchte! Naja – ganz so schlimm ist denn doch nicht ;-)!


Übermütig dieser Gnade werdend beschließe ich die Besichtigung einer weiteren potentiellen Miniwohnung in – aus Großstadtperspektive gesehen - unmittelbarer Nähe vom Divecenter und jedoch unbestritten eindeutiger Nähe vom Flamingo Airport mit meinem gefühlt neuen Super-Berg-Radl zu wagen. Die Straße dorthin ist eine Hauptstraße und wäre auf manch anderer Karibikinsel schon als Quasi-Autobahn einzustufen. Kein Problem – ich fahre überall. Ob mit dem Rad oder dem Auto! Was bleibt mir auch übrig? Außerdem schadet die Bewegung meinen neu erworbenen, karibischen Luxusförmchen keineswegs. Es ist Samstag gegen 11.30 Uhr, als ich mich von meinem Betonbox-Hauptquartier (meine „Wohnung“) auf – die Kaya Grandi herunterfahrend und deren Verlauf folgend an meinem früheren und jetzigen Tauchladen vorbei auf besagte Geröll-Straßenbelagversuchsstrecke aufmache. Nach einem Kilometer entdecke ich eine nutzbringendere Sitzposition und trete sogleich mit doppelter Kraft in die Pedalen. Ein Radlerrhythmus stellt sich ein und ich ignoriere die Mittagssonne.


Nach 10min schon – einige Zeit vor unserem 12 Uhr Termin stehe ich vor einem sympathisch schön angestrichenen Haus auf geräumigem Eckgrundstück in einer besonders ruhigen und beschaulichen Wohngegend. Auf die fliederfarbenen mit weiß und pastelltürkisabgesetzten Außenwände des gemütlich wirkenden neuen Hauses blickend registriere ich sofort ein wohliges Gefühl in der Magengegend. Wie schön es hier ist! So harmonisch, hell, freundlich und leise. Hier würde ich vielleicht bald einziehen? Hoffentlich!


Wie die potenziell neue Bleibe konkret anmutet, berichte ich, sofern ich sie bekomme. Nach der Wohnungsbesichtigung folge ich dem Rat der alten Dame und Hausbesitzerin, den Schotterpfad Richtung Strand zu nehmen, um endlich meinem Schnorchelwunsch für das Wochenende nachgeben zu können. Ich schiebe mein Rad zwischen robustem Buschwerk hindurch auf trockenem Geröll und erreiche die Hauptstraße. Vor mir liegt „Bachelors Beach“! Der Tauchplatz an dem ich einen spektakulären Dekostopp hinlegen musste und zum Zeitvertreib Kunststückchen am

Bojenseil bis zur Bühnenreife geübt hatte. Als gemütlicher Strand zum Ausharren eignet sich dieser Platz jedoch nicht, weil von einer Kaimauer, über Steine hinweg lediglich eine Betontreppe direkt vom Parkplatz ins Wasser führt und keine schattige Sitzfläche bietet.


Nicht lange überlegt sitze ich auf meinem Radl und fasse den nächstgelegenen Tauchplatz Corporal Mais ins Auge. Nur etwa 500m weiter hinter den nächsten Apartmenthäusern gelegen weiß ich lange Korallengeröllstrände mit Schatten spendenden Bäumen, unter denen am Wochenende meist die Einheimischen ihre Familienzusammenkünfte abhalten. Nanu??? Warum tritt sich das Rad so schwer? Bin ich auf einmal so schwach? Ich blicke auf mein Hinterrad. Es ist unglaublich aber wahr. Der Reifen beginnt gerade mit vollem Genuss platt zu werden! NEIN und nochmals NEIN! Nicht schon wieder! Ist denn in diesem Rad der Wurm begraben? Ich trete weiter und beeile mich, meinen Strandplatz zu erreichen. Als ich absteige und zum Wasser hinunterklettere, bemerke ich den sehr flexibel aussehenden Vorderreifen. Natürlich, wie kann es anders sein! Auch er hat gerade beschlossen, sich eine Auszeit zu nehmen und lässt gemächlich Luft in die Umwelt ab. Meine Laune sinkt auf einer Skala 1-10 von 10,5 auf bestimmt 5. Bevor ich jetzt unbedacht in Aktionismus ausbreche, entscheide ich mich vorerst für meinen ursprünglichen Plan und setze meine Schnorchelei in die Tat um.

Die nächsten Schritte sind klar. Tommy im Shop anrufen und ankündigen, dass ich komme, um mit dem Wagen mein Rad zum Bikeshop von Dive & Adventures zu fahren. Heißt im Klartext, ich stehe vor der Herausforderung, mich und das Rad zu Div’Ocean zu schieben, uns beide im Pickup nach Norden von Kralendijk zu befördern und vor 15.00 Uhr wieder zurück zu sein, weil der Gute dann den Laden schließt. Am Wochenende herrscht auf Bonaire verhaltener Betrieb im Tauchladen, weil An- und Abreisezeit für Inseltouristen ist. Zum Glück ist Tommy so klasse und überlässt mir auch für solche Aktionen den Tauchshopwagen!


In mittlerweile bis in die letzte Zelle hinein brennende Sonne laufe ich gemächlich die Ränder der Bonairer Hauptstraße ab – mal auf der linken oder rechten Seite – bis ich nach geschlagenen 35 Minuten Div’Ocean erreiche und somit noch mehr als 1,5 h Zeit für meine notwendige Autotour habe. Entweder die Reparatur kann gleich erledigt werden oder ich muss bis Montag warten. Letzteres ist der Fall und beschließe erneut, die Situation zu nehmen wie sie ist. Nachdem ich den Wagen wieder abgestellt habe, folge ich erstmals den Pfad der Nachbarschaft und klettere mit meinem Rucksack über die Grundstücksmauer zum Plaza-Resort, um den schnellsten Weg zum dort künstlich angelegten Strand zu erreichen und mich dort zu sonnen und zu schwimmen und erneut zu schnorcheln.


Als Ende von diesem „Shit happens“ Lied, bleibt nur die weise Entspanntheit und Akzeptanz dessen Existenz und dem Umgehen mit den Gegebenheiten. 2 Tage laufe ich morgens wieder zur Arbeit und fahre am Montag mit dem Pickup gemütlich zum Diver-Biker-Shop, um mein Mountain-Radl abzuholen. Dort erhalte ich noch eine Menge Tipps für die bessere Haltbarkeit von Fahrradreifen auf Bonaire und verabschiede mich mit einem fröhlichen „Bis Bald!“.

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