Saturday, October 03, 2009

Bonaire 8. Tag oder besser 1. Nacht…

Mein erster Nachttauchgang auf Bonaire und im Meer überhaupt. Dies soll heute Abend stattfinden! Ich freue mich. Ohne Tageslicht zu tauchen umhüllt mich immer mit einem zusätzlichen Gefühl der Geborgenheit und Entspanntheit durch den Schutz der Dunkelheit. Also bereite ich voller Vorfreude meine Sealife DC 800 für ihren ersten Salzwassertauchgang bei Nacht vor (naja, ist ja erst 19.00 / 20.00 Uhr) und meine Lampen ebenso, den neuen Blitzer und meine Taschenlampe. Ein Highlight dieses Tauchgangs ist, dass ich für Chris’ Freunde, einem unserer Tauchlehrer, das Briefing übernehme. Nächstes Mal kommt bestimmt meine erste Tauchgangsführung auf mich zu. Chris macht heute schon einen Spaß, dass ich guiden soll. Oh je…! Ich bin doch erst das erste Mal im Dunkeln im Meer unterwegs und male mir wer weiß welche Szenarien aus, die meine Unsicherheit bestätigen können.


Doch es bleibt für mich beim Briefing auf Englisch und Check des Equipments der beiden Freunde Simone und Michel. Alles sieht gut aus. Wir laufen vom Parkplatz zum Einstieg, wo ich mit meinem Spickzettel die 10 Punkte abpräsentiere, um die Tauchgäste hinsichtlich Tauchtiefe, Sehenswürdigkeiten, Einstiegs- und Ausstiegstechniken, Buddysystem, Unerwasserwelt, Handzeichen und aller anderen wichtigen Punkte aufzuklären. Chris beobachtet mich mit Argusaugen und schaut, ob ich etwas vergesse. Doch dies geschieht nicht. Gutgelaunt gehen wir zurück zum Wagen, um uns aufzurüsten und danach abzusteigen.


Ins Wasser laufend über Steine kletternd erreichen wir die Rückenlage, die optimal ist zum Anziehen der Flossen. Ich bilde das Schlusslicht der Truppe und prüfe meine Lampen und die Kamera. Warum leuchtet hier ein rotes Licht am Gehäuse??? Mir kommt ein fürchterlicher Verdacht und ich drücke den „Ein“-Schalter. Nichts!!!!!!!! Shit!!!!!!! NICHTS!!!!!!! Ich nehme eine Lampe und leuchte auf das Sichtfenster des Gehäuses. Dort 1cm Wasserstand! NEIN! Shit! Ich rufe Chris zu „I have to take my camera out! The housing is flooded!” Er:” SHIT!” Wie wahr! Ich paddle auf dem Rücken gen Land, um meine Kamera in einer sicheren Ecke an Land zu deponieren, während wir tauchen gehen würden. Als ich mich durch die Brandung und über die Ausstiegssteine gekämpft habe, um das Paket hinter einem Bot zu verstecken, höre ich Chris mich vom Land rufen: „Marianne, you wanna go? I am not going!“ Ich „Why are you not going?“ Er: “My camera! There is water in the housing!” Ich glaube nicht richtig zu hören! Wir hatten beide Wasser im Kameragehäuse! Welch schlechtes Karma heute Abend. Sollen wir etwa aus dem Wasser bleiben?


Ich stolpere zu Chris. Er kann sein Equipment nicht hier lassen und will es öffnen. Also muss er zur Basis zurück und organisiert sich die Auto- und Shopschlüssel von Jürg. Weil ich den Tauchgang mitmachen werde, gebe ich ihm meine „Flutkatastrophe“ mit und gehe zurück ins Wasser. An der Boje angekommen tauchen wir nun endlich ab und ich entspanne mich sofort nach der Hektik. Unten angekommen befestigen Jürg und ich meinen Blitzer (Danke Petra und Tom für dieses tolle Geschenk zu meinem Geburtstag!!!) am Befestigungsseil als unser Ausstiegskennzeichen. Wie besprochen gruppieren wir uns am Riff – Jürg vorweg, dann die Buddies und ich am Ende. Ich fühle mich unglaublich wohl - schwebend mit einer wohligen Finsternis umgeben von einem tragenden Schwarz und mit mir nur das Blubbern meines eigenen Ausatmens des Nitrox 32, dass ich einsauge und tief wieder ausstoße. Meine Gedanken sind von Glück erfüllt. Das Tauchen ist das, was ich hier machen will. Die Langeweile in der Basis ist im Moment verziehen. Die Entschädigung für alles ist, dass ich bei 29° im Meer tauchen darf und mich unglaublich sicher dabei fühle. Hier gehöre ich hin – das weiß ich jedes Mal. Keine klirrende Kälte im Brandenburger See, die Stressatmen hervorruft. Ich stelle fest, dass ich schon wieder das Bedürfnis habe, 1 Kilo Blei abzulegen. Heute bin ich gerade von 8 auf 7 Kilo gegangen. Das nächste Mal wechsle ich auf 6 Kilo, nehme ich mir stolz vor. Wenn das kein Fortschritt ist! In dieser Umgebung geht mein Luftverbrauch ebenso herunter und ich steige nach 50min noch mit 50 bar aus dem Wasser, obwohl ich heute Abend mit 10 Liter unterwegs bin. Was ist passiert? Nach dem Gespräch mit Dik habe ich mein Tauchverhalten harmonisiert. Ich bewege Atmung und Flossenschläge zeitlupenmäßig im Einklang und wiege mich träge in der flüssigen Dichte des karibischen Meerwassers, als ob ich darin geboren worden wäre. Langsam beginne ich seine Worte zu verstehen, dass Tauchen Spiritualität ist. Du gehst mit der Bewegung des Wassers und bildest den geringsten Widerstand durch Dein rhythmisches Zusammenspiel von Lungen und Beinen. Als Ganzes bewegst Du Dich gemächlich mit der Kraft der Wogen vorwärts und nicht schneller hindurch. Mit der Natur und nicht dagegen. Das Meer trägt Dich, lass Dich mitziehen….


Tarpone!!! Riesig groß! 1,20m lang, streifen unsere Gruppe haarscharf! Die schillernden Schuppen ihrer Körperoberfläche wirken im Schein unserer Lampen wie Diskokugeln der 80er Jahre vor dieser surrealen Nachtkulisse bunter Korallengärten! Das Schauspiel wirkt wie gezeichnet. Doch die reale Bewegung dieser Tiere im Wasser reißt uns zurück in die Wirklichkeit. Wir sind Teil ihres Jagdgebietes, und sie inspizieren uns! Wir gleiten weiter dahin. Zwei dieser Spezies bleiben bei uns, schwimmen unter uns, beobachten uns von vorn, kommen von hinten an uns vorbei geschwommen integrieren sich beinahe in unsere 4er Formation. Ein wunderbares Gefühl, das sich in mir entwickelt. Ein Gefühl von Zugehörigkeit zur Unterwasserwelt. Wir sind jetzt ein Teil dieser Korallengarten-Rifflandschaften und deren Lebensgemeinschaften und tragen die Verantwortung für das harmonische Miteinander darin durch unser soziales Tauchverhalten. Respekt eines jeden einzelnen Lebewesens bestimmt unsere Vorsicht und unsere Distanz. Wir berühren nichts, leuchten vorsichtig am Objekt vorbei, wann immer es uns möglich ist nach den ersten Bruchteilen einer Sekunde.


Sepia, Octopus, Kofferfische, Tarpone und vieles mehr versuchen sich mehr oder weniger hinter Korallentürmen und –spitzgebirgen zu verstecken. Sie haben alle keinen Grund uns zu fürchten, weil wir lediglich ihre einzigartige Farb- und Formenpracht visuell genießen möchten.


Längst hatte sich Jürg vom Luftvorrat unserer Gäste einen sicheren Überblick verschafft und unseren Rückweg eingeläutet. Wieder und verstärkt werden wir von einem Tarponpärchen begleitet. Beide weichen kaum mehr von unserer Seite – bis zum Ausstieg! Jungs, Ihr könnt nicht mit uns kommen! Euch fehlen u.a. die Beine zum Laufen! Dann sehe ich noch einen Baby-Octopus sich hinter einem Fels verkriechen. Himmel sind diese Kreaturen geschmeidig anpassungsfähig. Ich lasse von dem armen Kerl ab und richte meine Lampe wieder nach vorn gen Ausstieg. Den Blitzer habe ich schon vor 2 min gesichtet.


Dort angekommen helfe ich Jürg bei der Demontage, um mein Wunderlämpchen unversehrt wieder zu erlangen. Nach Schweizer Manier hat der die Konstruktion für 100 Jahre installiert. Gefühlte 10 min später sehe ich unsere Gäste nicht mehr! Mist!!! Ich schaue beim Demontieren noch um mich und nehme den Schein ihrer Lampen war. Der Tauchgangsguide hingegen verstrickt sich vollends in die Sicherung und Rettung meiner Lampe. Lobenswert wegen meiner Besitztümer doch zweifelhaft für unsere Gäste. Well, ich entdecke den Schein 2er Lampen recht nah der Oberfläche und zeige Jürg die Richtung an. Dort haben wir sie auch bald wieder eingeholt und ich höre Jürg beim Aussteigen schmunzelt reklamieren, dass die beiden einfach weg geschwommen seien und sicher woanders herausgekommen wären. Nun ja….. ;-)


Wieder in der Basis angekommen – 500m die Straße hoch – erhalte ich von dem wartenden Chris die Information, dass meine Kamera dahin sein. Toll! Super! Meine Entspannung wandelt sich in eine kurze Postdepression mit Visionen von Zusatzausgaben für eine neue Kamera. Doch irgendetwas in mir sagt „gib noch nicht auf“! Vielleicht lässt sie sich wieder beleben am nächsten Tag. Lass sie erst einmal trocknen. Aus Erfahrung mit gewissen Fällen aus Berlin und meinen Handies der Vergangenheit weiß ich, dass eine Auferstehung unter derartigen Umständen nicht ganz unmöglich ist. Ich nehme wir 12h Geduld vor – schwierig für das Marianndl, aber unumgänglich.

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