Tuesday, October 20, 2009

Machoerholung: Gespräche zwischen Frauen und das neue Phänomen auf Bonaire zu frieren und der hiesige Neokolonialismus

Es ist jst ja nicht so, dass ich mich in meinem Wohnloch bei Lee zur Gänze unwohl fühle. Im Gegenteil – die Bleibe appelliert an meinen Sinn für das Überleben mit Spaß – eben an mein Camperherz. Mir gefällt es, mich auf kleinem Raum und mit einfachen Gegebenheiten arrangieren zu müssen und Lösungen für das störungsfreie Alltagsleben entwickeln zu können. So anscheinend auch meine neue exilvenezuelanische Nachbarin mit holländischem Pass – hört ebenfalls auf den Namen Sigrid und hat so gar nichts mit ihrer begrenzt entwickelten Namensvetterin aus meinem anfangs frequentiertem Tauchshop mit zweifelhaftem Ruf zu tun. Bei Wein- und ohne Gesang unter klarem Sternenhimmel tauschen wir Jahrgangskolleginnen uns über die Lebensweisen an den uns bekannten Orten sowie über die Regeldiktatur lokaler Kolonialpatrioten entgegen einheimischen Kulturursprungs aus.


Es tut gut, endlich einmal wieder ein richtiges Gespräch 1. mit einer Frau und 2. in meiner Muttersprache zu haben. Die Insel erscheint mir etwas Männer dominiert, wobei in den meisten Fällen der Begriff Macho den Begriff Mann ersetzt. Dabei stimmen mich nur einzelne Ausnahmen versöhnlich. Vor diesem Hintergrund ist es besonders erholsam, endlich wieder einmal richtig Konversation machen zu können, ohne ständig flache Sprüche abschießen und erwidern zu müssen, um mir Gehör zu verschaffen. Jungs, lernt richtige Gespräche zu führen ;-)! Mit Hand und Fuß sowie Tiefe und Inhalt! Auch hier bin ich für sehr einzelne Ausnahmen dankbar, die aber eher rar in Aktion treten.


Das 2. positive Erlebnis an diesem Abend ist, dass ich das erste Mal an der frischen Luft – außer nach 2 Tauchgängen einmal im Wind stehend – plötzlich beginne von der kleinen Brise etwas zu frösteln! Ein unfassbarer Moment der mich hoffnungsfroh stimmt, dass mein Körper sich nach nun einem Monat endlich aklimatisiert. Bei 30 oder mehr Grad um 10 Uhr abends ein seltenes Phänomen auf dieser trockenen Insel.


Nach dem halben Weißwein leeren wir noch den restlichen Rotwein und unterhalten uns mehr als 3h – auf Lee’s zu unseren Wohnlöchern gehörenden Gartenstühlen unter der Treppe zur Dachterrasse sitzend – über Götter und deren Welten, über kolonialistische Holländer in der Karibik und die Rassenprobleme zwischen Schwarz und Weiß auf Bonaire. Ein endloses Thema mit verschiedensten Standpunkten und Erfahrungen aller Beteiligten… Doch für uns steht eines unbestritten im Vordergrund: als Europäer sind wir hier Gäste, die froh sein können geduldet zu werden. In dieser Situation sollten nicht Arroganz die alltäglichen Verhaltensweisen bestimmen, sondern vorerst Respekt für die einheimische Bevölkerung und Zurückhaltung im eigenen Benehmen – dies ist nicht Holland oder Deutschland oder Europa im Allgemeinen oder schon gar nicht die USA. Bonaire ist eine kleine karibische Insel, die ursprünglich nichts mit europäischem Imperialismus zu tun hat und dennoch heute in praktisch quadratisch gute EU-Norm-Pakete verpackt wird, die selbstverständlich mit der angeblichen Faulheit der einheimischen Antillianer begründet wird. Hatten wir das nicht alles schon einmal?

No comments:

Post a Comment