Saturday, February 02, 2013

Durchatmen in Male - nach knapp 6 Monaten Insel


Mit Meerblick auf meiner Bed & Breakfast-Pensionsdachterrasse bei englischem Frühstück realisiere ich gerade meine Rückkehr in mein Leben: Freiheit, Reisen, Würde. Als ich gestern in Male ankam, um nun meinen Urlaub anzutreten, beschlich mich ein Gefühl des Wiedererhalts von lange verwehrter Freiheit, damit verbundene Entspannung und Ratlosigkeit, was ich aufeinmal mit meinem Dasein ohne täglichen Gängelns eines Kleinunternehmers anfangen soll. Ähnlich musste sich jemand fühlen, der nach langer Zeit aus dem Gefängnis entlassen wurde, um "draußen" seine ersten Wiedereinbürgerungsschritte zu versuchen.

Inselleben auf einer kleinen Malediveninsel - und Soneva gehört zu den größeren - kam einem Gefängnisleben gleich. Nicht weil die Insel selbst so anstrengend war. Sondern weil der Mikrokosmos Tauchschule auf diesem kleinen Flecken Land in dieser aus 90% Meer bestehenden Islamrepublik meine Existenz nur schwer erträglich gemacht hatte. Das Resort selbst bot viele Annehmlichkeiten für uns. Für alles ist gesorgt: Verpflegung, Einzelunterkunft, Wäsche, sogar Zimmerservice, Getränke - alles ist for free! Unsere Tauchschultruppe bewohnte ein separates haus am Strand und verfügte darin über eine eigene Küche und einen Garten zum täglichen Frühstück. Was ich anfangs ganz toll fand. Sehr bald fand ich es besser, so oft wie möglich länger zu schlafen anstatt am Frühstück mit denen teilzunehmen, die morgendliche Bootstauchgänge hatten. Denn mein Job verlief ohne einen einzigen freien Tag - knapp 6 Monate lang - was auf den Malediven illegal ist. Doch: "Who cares?"! Hin und wieder fielen halbe freie Tage ab, in denen jedoch erwartet wurde, dass man diese im Shop verbringt und nur nach Absprache mal außerhalb, um mal etwas anderes zu sehen als Gäste, Flossen und Anmeldeformulare. Diese Politik des sich nicht-zurückziehen-könnens machte mir den Aufenthalt in diesem eh sehr angespannten Mikrokosmos besonders schwer. Nicht die Arbeit an sich - Tauchgänge hatten wir nicht viele - machte mir zu schaffen. In Mexiko durfte ich 3x bis 4x soviel arbeiten - hatte aber immer den 7. Tag frei. Der Tauchbetrieb glich eher einer Ferienveranstaltung, die sich jeden Tag kaugummiartig hinzog. Es war die Politik, die Falschheit - ein Phänomen der Malediven - des sich besonders Wichtigfühlens - ein Phänomen der Tauchbranche - das fehlende "Nachhausegehen" zwecks Abschalten des Geistes und das ständige Umgebensein mit Kollegen und dem Tauchschulinhaber. Gespräche drehten sich zu 95% nur um den Betrieb und die Gäste - auch nach Feierabend, vor Arbeitsbeginn beim Frühstück und während der gemeinsamen Mittagspausen. 7 Tage die Woche, 24h am Tag umgeben zu sein mit dem Thema Arbeit und den gleichen Menschen ist das Anstrengendste auf dieser Insel gewesen. Schnelle hatte ich mir Lücken gesucht, mich mit Resortkollegen zum Essen getroffen oder zum Diner oder in der Hostbar - einfach um andere Themen und Menschen um mich herum zu haben. Dieses Flüchten in eine andere Welt wurde mehr und mehr zu meiner Überlebensstrategie.

Leider geriet ich dadurch in einen Teufelskreis. Denn die Kollegen beäugten meine Selbstständigkeit mit Argusaugen und bekannen zu reden. Natürlich! Ein weiteres Maledivenphänomen! Da machte jemand etwas anders als sie und das gefiel gar nicht. Tja, Leute, Pech gehabt. So gewann ich gute Kontakte und neue Freunde außerhalb dieser seltsamen Tauchveranstaltung sowie erhielt Kenntnis von dem schlechten Ruf der Soleni Tauchschule auf der Insel. Viele Kollegen aus unterschiedlichen Ebenen, Hierarchien, Ländern betätigten mein Erleben durch ihre Sicht: Soleni ist schwierig, die Tauchlehrer integrieren sich nicht, der Inhaber unternimmt Aktionen auf eigene Faust gegen die Resortpolitik, die interne Kommunikation ist eine Katastrophe und und und.... Mir kamen diese Informationen ja mehr als bekannt vor und ich war froh, dieses Feedback aus verschiedenen Richtungen zu erhalten. Doch was ist es, was ein so kleines "Team" von 5 Leuten so schwierig macht?


Begonnen mit dem Fakt, dass es 2 Chefs gab. Den Inhaber und die Zweite von ihm ernannte "Chefin", die sich besonders als solche aufspielte, indem sie sogar seine Entscheidungen umwarf und Dinge anders organisierte. Nie wusste man, welche Aussage galt. Lustig die Vorstellung, dass 60% des Teams Chef war!! Damit kann kein Großkonzern mithalten! Der Rest war leiert mit den Chefs bzw. trat aus der Leibeigenenrolle - meine Wenigkeit. Neben der Zweitbeziehung zwischen dem sonst Familien verheirateten Eigentümer und der russischen zuhause verheirateten Kollegin war die Zweite leiert mit dem vierten Tauchlehrer - das Paar, das die russische Gespielin abgrundtief verachtete, aber ihr größte Freundschaft vorgaukelte - auf laute italienische Art. Ich arbeite also im Prinzip mit zwei Paaren, deren Mitspieler sich alle als Chefs fühlten. Also meinten 4 Personen die Art vorgeben zu können, wie welches Formular wann wohin abgeheftet werden sollte. Es war absurder als in dem Kinderspiel, in dem zwei vierjährige Teilnehmer Postamt spielten. Meine Geduld habe ich lange auf die Probe stellen lassen und diese Schraubstockkultur mit einem inneren Augenzwinkern, dem Blick auf interkulturelle-Kulturerfahrung sowie Mitleid für ausgeprägtes Kurzsichtdenken und für offensichtliche Existenzangst bei den Akteuren über mich ergehen lassen. Denn Tauchschulbetrieb ist alles, was diese Menschen in ihrem Leben haben. Sie haben noch nie etwas anderes gemacht und können auch zu nichts anderem übergehen. Diese Erkenntnis lies mich erschrecken und erleichtert fühlen. Denn mein Tauchlehrerdasein sollte mir immer nur als Mittel zum Zweck dienen, in anderen Ländern leben und so Kulturerfahrungen sammeln zu können. Diese Erfahrungen sind in der Lehre zuhause viel wert!


Also betrachte ich meine Arbeit bei Soleni rückblickend mit einem friedlichen und wissendem Auge. Einiges dort hatte ich schon woanders erlebt. Die eine solche Konzentration des Negativen allerdings nur dort. Schon nach meinem ersten Monat hatte ich bekanntgegeben, dass dies mein letzter Job als Reisegerätetauchlehrerin sein würde. Eine für mich beruhigende Erkenntnis, die mein überraschter "Chef" da entgegennehmen sollte. Weitere Kritik bezüglich der internen Atmosphäre und gegen sein Team sollte einen weiteren Monat später ebenfalls von mir entgegennehmen. Was ihn mit noch größerer Überraschung traf. Es war für ihn neu, dass jemand in seinem Team Dinge aussprach und beim Namen nannte. Die Kultur dort ist ansonsten durch absolute Unehrlichkeit geprägt - durch das Reden hinter dem Rücken der anderen und dem Vorgeben falscher Tatsachen. Für mich ein Leben ohne Würde. Der beste Grund gegen einen solchen Lifestyle.

Ergo, der Preis war hoch, den ich für den für Tauchlehrerverhältnisse guten Verdienst bezahlt habe. Ich verbrachte meine Zeit in einem Naturparadies mit einem Job, der erstmals fast komplett spaßbefreit und von Negativität geprägt war. Ohne die guten Kontakte zu einigen Kollegen im Resort wären mir die Nerven vollständig durchgegangen. Ohne die Bestätigung aus einigen Reihen, dass mein Eindruck auch von den anderen Inselmitarbeitern sowie dem Management wahrgenommen worden war, noch mehr. Doch was bleibt, ist eine wichtige Erfahrung einen Maledivenjob für 6 Monate ausgehalten zu haben. Ein Traum war damit erfüllt und ich habe diesen auf meiner Liste "Lebe Deine Träume" abgehakt. Heute bin ich heilfroh, in Freiheit auf meiner Dachterrasse sitzen zu können und gleich meine Weiterreise innerhalb Südasiens organisieren zu dürfen! Juhuuu!!!

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