Sunday, December 27, 2009

An der Ostküste - mein erster Hai

Den vergangenen Freitag habe ich gegen meinen freien Samstag getauscht, um mit Nils und Willem endlich an der legendären Ostküste tauchen zu können. So oft hatte ich bereits von dem ebenso legendären "white hole" gehört, das nur mit einem erfahrenen guide zu betauchen wäre. Gegen 10.00 bin ich im Shop und bereite mein Equipment vor. Irgendwann kommt Nils mit Tommy's privatem Landüberschaukelgeländegefährtauf vier Rädern und Willem auf dem Beifahrersitz gefahren. Die Beiden haben Ihr "Zeug" hinten im Wagen gestapelt - sieht etwas chaotisch aus, aber nun denn...

Ich verstaue meine bereits zusammengebaute Ausrüstung ebenfalls im hinteren Teil des Wagens und bin in entspannter Erwartung , was der Tauchgang bringen wird. Duuuusssshhiiieeee!!! Ruft Willem und wir fallen uns begrüßend in die Arme! Ein inzwischen normal gewordenes Ritual zwischen uns - just for fun! Ich schwinge meine Knochen auf den Rücksitz und drehe die Scheibe herunter. Wir quietschen los Richtung Sorobon - zum Surfer Paradise - quere durch Bonaire's Mangrovensümpfe, in denen oft einige Flamigos mit ihren langen stelzenhaften Beinen stehen und mit ihrem pinkfarbenen Gefieder einen fantastischen Kontrast zum dunklen Grün der Bäume und Sträucher ergeben. Der Tag ist sonnige und nicht übermäßig windig. Es verspricht ein wirklich entspannter Tauchgang zu werden ohne hohen Wellengang an der Osatküste. Ich genieße den Ausblick und träume vor mich hin. In Gedanken gehe ich meine Ausrüstungsteile durch, zähle, überlege und bin in Gedanken schon fast im Meer... OH SHIT!!! NOOO! What?? I fuck off forgot my computer! Well, das ist nicht das Problem, weil wir eh nur bis 12 m Tiefe gehen... OK. Und weiter geht's. Wir schaukeln durch die Landschaft... Ich überlege weiter... OOHHHH NNNOOOOO!!! What again!!!!!!!!!!!!! Stupid bitch! I forgot also my boots! Fuck! Really FUCK! Ohne Boots kein Tauchgang, weil der Einstieg zu brachial ist mit all den spitzen Feuerkorallen und dem Wellengang.

Shit! Ok wir fragen am Surfersverleih. No! Keine Boots! Ok - keine Chance. Nils und ich müssen zurück zu Div'Ocean! Nils tritt das Gaspedal durch bis zum Unterboden von Tommy's Geländewagen. Wir brausen im Affenzahn durch die Botanik, um meine fehlenden Ausrüstungsbestandteile zu besorgen. Tja, Frau Instructor! Dat war ja mal wieder ein totaler Flop, gelle? Aber ich habe ja noch keine Schüler dabei und bin lediglich privat unterwegs. Solche Momente sind immer gut zum Lernen...

Außerdem was jetzt kommt, rühmt mich bis in den Himmel. Frau Instructor ist im Wasser nämlich hoch professionell und hilft anderen gern aus der Patsche... Nils und ich kommen voll ausgerüstet zum Superbeach zurück und fahren mit den andern zum Einstieg. Willem ist mit 2 Gästen hier, so dass wir den Tauchgang zu fünft machen werden. Ich hüpfe in meinen sexy-Waterproof und lasse mir den Reißverschluss auf der Rückseite schließen: zzzzzzttttt! Der Chromometer und der Computer nehmen ihren üblichen Platz an meinen beiden Handgelenken und ich lege mir langsam mein Wing-Jacket an und mache mich fertig zum Abmarsch.

Was nun folgt ist schon einzigartig! Wir alle stapfen mit halb heruntergelassenen Anzügen für 10min durch die 1m tiefe Bucht über Sandhügel und Sandlöcher im Grund und stolpern so mit 15 Kilo Zusatzgewicht auf dem Rücken vorwärts zum Riff, hinter dem wir den eigentlichen Einstieg ins karibische Meer finden werden, um unseren geplanten Tauchgang zum legendären White Hole durchführen zu können.

Der Weg gleicht einer Wüstenwanderung, bei der die Sonne uns erbarmungslos auf den Kopf brennt. Unsere Beine schaufeln sich jedoch durch 30° warmes Meerwasser und lassen uns nicht ganz so austrocknen, wie es auf einem Saharaspaziergang der Fall gewesen wäre. Jeder Schritt lässt entweder den linken oder rechten Fuß entweder in einem unwegsamen Loch verschwinden oder auf einem unerwarteten Sandhügelchen aufprallen. Genau lässt sich dieses bergauf und bergab nicht voraussagen, weil die Sicht um die Füße durch den aufwirbelnden Sand unserer Vordermänner verstärkt beeinträchtigt wird. Nach gefühlten 2 Stunden Marschierens wie bestimmt zu besten Armeezeiten (könnt ich mir vorstellen) erreichen wir alle das Riff und somit unseren Einstiegspunkt an der Ostküste! Ich freue mich sehr auf diesen spektakulären Tauchgang, weil er ein wenig Herausforderung durch starken Wellengang der Brandung bietet, als jeder Westküstentauchgang es vermag. Außerdem bin ich fit wie ein Turnschuh und habe keinerleih Verschnaufspausen nötig, was mich erfreut und stolz macht! Fahrradfahren ist eben ein guter Trainer sowie eine kräftige Statur. Ein wenig Eitelkeit und Eigenlob ist leider notwendig in dieser ewig plusternden Männerwelt, die unter Wasser plötzlich ganz bescheiden werden kann....

Ein Schwachpunkt jedoch zeigt sich doch bei mir. Beim Einstieg meine Balancefähigkeit, um den hereinpreschenden Wellen standhalten zu können! Balance ist ein grundlegender Teil der Yogaausbildung, und ich verfluche die Tatsache, dass ich diese in Berlin habe einschlafen lassen während der letzten Jahre! Doch Nils erweist sich als sehr fürsorglicher Buddy und wir halten uns mit einem Handarmgriff über Kreuz gegenseitig fest. Auf diese Weise halten wir gegen die Brandung stand und arbeiten uns Schritt für Schritt über die messerscharfen Spitzen der Feuerkorallen und die von anderem Korallengestein vor ins bauchtiefe Wasser. Jetzt gilt es in Lichtgeschwindigkeit in eine Flosse nach der anderen hineinzuschlüpfen, bevor der nächste Wellenbrecher über uns hinwegrollt und möglicherweise Ausrüstung mit sich reist. Mir müssen besonders aufpassen, nicht von der nächsten Welle auf die scharfen Korallen zurückgeschleudert zu werden. Doch Nils gibt mir gebräuchliche Anweisungen, wie ich zu welcher Zeit welchen Schritt tue, um sicher ins Wasser zu gelangen. Mit jeder Welle die uns entgegen rollt, klammen wir unsere Flossen und die Maske fest und stürzen uns hinab in die mächtige Woge, um nicht von ihr an Land zurück geworfen zu werden! Kopf untertauchen und mit ganzer Kraft nach vorn lehnen und danach an die Oberfläche driften, um im Wellental erst die eine dann die andere Flosse überzustreifen. Die Maske hängt sicher um den Hals, wo sie nicht mitgerissen werden kann. Eine Position, die der Open Water Diver Anfänger im ersten Pooltauchgang lernt.

Inzwischen erreichen mein Buddy und ich eine akzeptable Schwimmtiefe, in der wir unsere Maske aufsetzen und auf dem Rücken in Richtung Abtauchstelle paddeln. Wir wiegen von der Wellenspitze in ihr Tal und zurück! Ich lasse meiner Begeisterung freien Lauf. Solche schaukelnden Wogen sind Spaß pur! Es ist wie Motorrad fahren nur im Wasser. Leider neigt Nils zu Seekrankheit und steckt seinen Kopf lieber unter die Oberfläche und will einfach nur abtauchen... Willem folgt uns mit seinen 2 Gästen, die nach 5min schon schnaufend ihre Erschöpfung verlauten lassen. Einen Tauchgang atemlos zu beginnen, wirkt sich negativ auf den Luftverbrauch aus und bewirkt Stress gleich zu Beginn. Wir müssen vor der geplanten Abstiegszeit nach unten, um nicht noch mehr Kraftlosigkeit aufkommen zu lassen. Eine kleine Verschnaufpause auf den Wellen und ein rufender Nils mit einem starken Abtauchdrang lassen uns alle an Ort und Stelle nach unten gehen. Alles ist ok. Wir sehen uns unter der Oberfläche und sinken lediglich bis auf ca. 12m maximal. Tiefer wird es nicht werden, weil der Tauchplatz auf dem Barriereriff des großen Surfersees liegt. Dieses Riff ermöglicht die Lac Bay erst mit ihrer vollen Schönheit, weil es die Brandung und den Großfischbestand davon abhält, in die Bucht zu gelngen. So verfügt Bonaire über ein wunderschönes, ganz natürlich entstandenes Schwimmbecken, in dem nur ganz kleine Fische leben und dessen Tiefe nicht größer als 1,60 auf einer Gesamtfläche von vielen Hektar! Dieser Salzwassersee bietet den Windsurfer ideale Bedingungen und den Sonnenanbetern einen einzigartigen Strand - eigentlich den einzig richtigen auf der ganzen Insel.

Über Fächerkorallen hinweg schweben wir in Richtung Süden. Ich überlege, was auf dieser Seite der Insel so besonders sein soll als auf der üblicherweise betauchten Westseite. Eindeutig erscheint mir die wesentlich weniger spannende flachere Riffformation, die keine tiefen Riffkanten ohne sichtbaren Grund erkennen lässt. Jedoch eines ist herzerwärmend: die Häufigkeit der Schildkröten jeglicher Größe an diesem Tauchplatz. Mit ihren aus den wunderschön gemusterten Panzern herausragenden Schwimmflossen begleiten uns diese ansehnlichen Tiere behäbig elegant schwimmend in Größen zwischen 30cm bis 1m Länge während des gesamten Tauchgangs. Ruhe steht für Unterwasserschildkröten und lässt diese faszinierenden Übrigbleibsel aus der Urzeit schlicht Vertrauen und Geborgenheit ausstrahlen. Mindestens 35 an der Zahl begegnen uns innerhalb der nächsten Stunde auf unserem Weg durch die beachtliche Strömung.

Nils, die andere 3 und ich kämpfen gegen die Strömung an und schieben uns über das Riff. Mir ist vollkommen klar, welchen Luftverbrauch wir erzeugen müssen bei dieser Beinarbeit. Es ist kaum zu schaffen. Bei entspannt langsamen Tauchen werden wir von den Wassermassen zuückgeschoben wie ein Sommerschlussverkaufsverweigerer von dem vorwärtsdrängenden Massen zum Grabbeltisch! Entgegen jeden Wissens legen wir uns in die Strömung und strampeln uns vorwärts. Heute ist es sogar machbar. Weder der Wellengang an der Oberfläche noch die Unterströmung sind übermäßig wie sonst oft, so dass wir den Tauchgang durchführen können!

Irgendwann legt Willem einen Linksknick Richtung Ufer ein und wir folgen ihm. Es ist ca. 32min und 120 bar später als ich den Lichtschein erblicke, der hinter dem Riff aus dem Nichts bis zur Oberfläche hinaufzustrahlen scheint. Eine kleine Erleuchtung - denke ich - und erkenne das "White Hole"!! Endlich angekommen! Wie die Beleuchtung eines Ufos, das am Meeresboden liegt und diesen anstrahlt, erscheint mir das hell erleuchtete Gebiet, was mich hinter der Riffwand erwarten wird.

Wir schweben über die Riffkante und ich erblicke ein Tal mit durch schneeweißen Korallensand bedeckten Grund, welcher diesen magischen, gleißend hellen Lichtschein von unten bis zur Wasseroberfläche verursacht hat. Wir tauchen ein in dieses von Riffwänden umrundeten Schimmern - einem Loch im Riff, in dem viele Tarpune stehen und Schutz vor Bewegung, Besucher und Eindringlinge suchen. Sie stehen in 1m Abständen zu- und untereinander und füllen das White Hole mit Leben gleich beim Eintritt. Wir gehen runter an die linke Riffwand, die einige Höhlen aufweist. Willem ist uns voraus und steuert auf eine größere Öffnung am Grund zu und gibt das Zeichen!! Die rechte Hand geht ausgestreckt und senkrecht an seine Stirn! HAI! Hier liegt ein Hai in der Höhle! Ich bin etwas aber doch kaum aufgeregt. Das Lustige an der Situation ist, dass wir unter Tauchlehrern und Divemaster das gleiche Zeichen geben, wenn jemand die Tauchgangsführung übernehmen soll und ich denke im ersten Bruchteil der Sekunde, warum ich nun den Guide machen soll!!?? Schnell realisiere ich den dummen Gedanken als superblöd und begreife die Realität, die uns mit einem Hai konfrontiert.

Nun endlich sehe ich mit eigenen Augen, wie wunderschön diese Spezies ist und wie weit entfernt davon, eine blutrünstige Bestie zu sein. Dies war mir schon lange klar und ich schäme mich fast für so verstandesfreie Gedanken. Bekanntlich gehören Haie zu den scheuesten Unterwasserwesen, die uns die Ozeane bescheren. Was wir gerade zu sehen bekommen, ist ein mittelgroßer "Nurseshark" von ca. 2,50m Länge, der sich eingeschüchtert in andere Gegenden verzieht, um nicht von uns zu belästigt zu werden. Unser Guide hat ihn auch durch Aufwühlen des Grundsandes aus der Höhle gelockt und wir sehen einen Moment das Gesicht des Exemplars sowie danach lediglich noch den Rücken und die Rückenflossen davon schießen. Man sagt, wenn Menschen Haie aus ihren Verstecken scheuchen, kommen sie nie wieder...
Manchmal verfluche ich die Tauchindustrie...

Nach diesem Höhepunkt drehen wir um, weil die Mehrheit unserer Gruppe schon zuwenig Luft hat, um weiter in das Loch hinein zu tauchen. Nils ist einer der Kanditaten und ein wenig entschuldigt, weil er seit 2 Monaten nicht im Wasser gewesen ist. Ich bedeute ihm, dass ich ihm als Tankstelle zur Verfügung stehe. Meine Luft im Hole ist noch bei 120 bar nach 45 Minuten und Strömung. Nicht einmal den halben Tank habe ich geleert und kann mich auf einen entspannten Rückweg freuen. Nils ist schon bei 70 bar und wird in Kürze Luft brauchen. Ab jetzt weich ich nicht von seiner Seite und wir steigen gemeinsam aus dem Hole auf, schweben über die Riffkante hinein in den Garten von tanzenden Fächerkorallen. Hier lassen wir uns nun mit der Strömung nachhause treiben ohne allzuviel Beinarbeit leisten zu müssen. Wieder gleiten wir durch einen Garten voll von Schildkröten. Ich lege mich neben eine mittelgroße und komme ihr ca. 30cm Kopf an Kopf nahe. Wir sehen uns an und gleiten zusammen mit den Wogen auf und ab. Wunderbar und einmalig, Teil des Unterwasserlebens zu sein! Nach einigen Minuten realisiere ich meine Verantwortung als Buddy und sehe mich nach Nils um, der geduldig auf mich wartet.

Wir schwimmen gemeinsam weiter. Jetzt signalisiert er, meinen Oktopus zu gebrauchen. Wir halten uns gegenseitig fest, während wir beide aus meiner Flasche atmen. Ich habe ausreichend Luftvorrat für den gesamten Rückweg. Immerhin gehen wir mit der Strömung, was Kraft und somit Luft spart. Aneinander geklammert wiegen wir mit den Wellen Richtung Süden zurück gen Ausstieg, der noch ungefähr 10min entfernt liegen muss. In der Nähe unseres Ausstiegs angekommen wechselt Nils wieder auf seinen Atemregler und wir wiegen weiter gen Strand über zahlreiche Fächerkorallen hinweg.

Der Grund kommt immer näher. Feuerkorrallen häufen sich unter mir. Die Wellen verstärken sich zusehens. Der Abstand zwischen Grund und Oberfläche verringert sich sekündlich und ich richte mich auch. Über Wasser erblicke ich Nils und unser Ufer, an dem Willem bereits mit unseren 2 verschnauften Gästen das Equipment teilweise ablegt. Nilsi und ich sind das Schlusslicht und finde das wunderbar. Wir behelfen uns wieder unserer altbewährten Methode des gemeinsamen Laufens über Feuerkorallen, um halbwegs sicher den Weg aus den Wellenbergen zu schaffen. Schritt für Schritt - Flossen ausziehen - Maske um den Hals legen und den-Arm-über-Kreuz-Griff praktizierend wackeln wir den Wellen entgegenstemmend aus dem Wasser Richtung Strand. Irgendwie laufen wir voll ausgerüstet und unversehrt auf den Strand auf die anderen zu. Hallooo!!! Nun steht uns noch der 10minütige Rückmarsch durch Lac Bay bevor: Wieder Hügel und uneinsehbare Löcher im Grund begleiten die letzte Etappe unseres Weges. Irgendwann treffen wir uns alle um unsere Autos herum wieder, bei denen wir alles ablegen, um uns ausruhen zu können! Was für ein Tauchgang bzw. was für ein Drumherum. Unter normalen Meerbedingungen wäre die Anstrengung doppelt so hoch gewesen. Ich beginne, Lust an dieser Art von Ausflügen zu bekommen. Herrlich untouristisch und neu könnte man treffend behaupten. Hier war ich nicht zum letzten Mal....;-)




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