Sunday, June 05, 2011

Ein Segeltörn oder was davon übrig blieb...


Eigentlich hätte man schon am Tag des Einchecken stutzig werden sollen - ist man auch...  In Flensburg bei Dings & Petersen sollten wir - 4 Gäste und 1 Skipper - mein Kollege bei der Sportbootschule aus Berlin - die Bavaria besteigen, die mit 8 Seglern besetzt werden sollte. 3 Gäste fehlten also aus verschiedenen Gründen.

Alles begann damit, dass der Skipper nichts geplant oder vorbereitet hätte und vor Ort keinen Organisationswillen demonstrierte. Anna und ich machten uns kurzerhand daran, die Einkaufsliste für die Lebensmittel zu schreiben, die der Skipper nicht nur hätte fertig, sondern auch schon durch rege Einkaufstätigkeit erledigt haben sollen. Mich wunderte das nicht und sah darüber hinweg. Während der Skipper nun die Bootsübergabe in Angriff nahm und wir sage und schreibe 1,5h auf Nachricht warteten, dass wir endlich an Bord gehen konnten, wurden wir immer unruhiger ob der langen Zeit, die die Übergabe in Anspruch zu nehmen schien.

Wieder übernahmen wir Mädels "das Ruder" und nahmen unser Gepäck. Schnurstracks gingen wir alle zum Boot, um uns danach in Einzugstrupp und Einkaufsbrigade unterteilen zu können. Es sollte schließlich einmal irgend etwas vorangehen hier!
Am Boot ankommend sahen wir unseren Skipper im lockeren Plausch mit den Bootsvercharterern! Toll - er macht sich 'nen Netten und wir warten uns graue Haare am Steg... und wieder wundert mich nichts...
Der Rest passiert ganz schnell. Ohne Gemurre wird die Bootsübergabe plötzlich beendet und 2 Gruppen bilden sich: Die Einkaufsbrigade, bestehend aus Anna und Thoralf (welcher Winkingergott seine Eltern bei der Namensvergabe geritten hat, blieb unserem Wissen unzugänglich) sowie mich und Stefan, unser Skipper und mein Kollege der Sportbootschule aus Berlin, die die Paketstücke an Bord hieften.
Das noch ausstehende Pärchen - Mitsegler Nr. 5 und 6 ließen weiter auf sich warten. Stefan und ich inspizierten die Kabinen und überlegten uns eine sinnvolle Verteilung und harmonieerzeugende Belegung. Natürlich hatten Anna und ich uns schon eine Doppelkabine reserviert. Nur aussuchen mussten wir sie noch. Eigentlich sollte es die Doppelstockkabine sein, da Anna nur mitschiffs nicht seekrank werden konnte, wenn wir nachts durch die Wellen schaukeln würden. Doch mein Blick hinein entfachte gleich ein leichtes aber nicht zu unterdrückendes Magendrücken. Die Kabine - für 2 ausgewachsene Zwerge - gebaut verfügte in Kubik mit Sicherheit über weniger als mein heimischer Kleiderschrank. Nun könnte man argumentieren, dass weibliche Kleiderschränke zu übergroßen Ausmaßen neigen würden, weil dies in der Natur ihrer Eigner läge.

Doch nein, dieser Kleiderschrank-Kabinenvergleich hinkte keinesfalls. Meine Kleider nehmen Platz in einem Raum von 2,80m mal 2,20 Höhe und 0,70 Tiefe ein. Das einzige was hier in der Natur seiner Eignerin liegt, sind größere Abmessung der Bekleidung aufgrund einer nichtübersehbaren Körperhöhe! Verglichen mit Carrie Bradshaw jedoch verfüge ich zuhause über einen Schuhkarton mit Klamotten und sollte nun zu zweit in einer Mitschiffs-streichholzschachtel der Marke "Welthölzer" schlafen und eine Überfahrt ins Nachbarland heil überstehen! Schon beim alleinstehen in diesem Nähkästchen bekam ich schon Atemnot und wollte das Dach aufreißen - und ich bin daran gewöhnt, die Luft beim Apnoetauchen anzuhalten. Doch auf Apnoeschlaftraumen aufgrund akuter Sauerstoffnot in jeder der folgenden 7 Nächte wollte ich mich einfach so richtig einlassen!

Im Augenwinkel stach mir die "Königssuite" ins Auge und ich taufte sie insgeheim in "Queenscastle" um. Hier würden nicht nur 2 Frauen Platz haben, sondern darüberhinaus sogar ihre bescheiden  befüllten Gepäckstücke. Die Betten waren ein Doppelbett, das umrandet mit kleinen Schubfächern und einem Schrank für Hängekleidung sowie mit unendlich viel Stauraum in der Bilge ausreichen Platz für 8h Atemluft zweier energetisch überdurchschnittlich geladenen Borddamen ließ.

Während ich unter Deck Gepäckstücke wahllos in die Kabinen verteilte, um Platz zum Durchlaufen im Salon zu schaffen, begann der Skipper am Kartentisch die Funktionen des Schiffs sowie unserer Seekarten zu studieren. Ich beschloss, mir eine faule Warterunde in der Hecksitzecke an Deck zu gönnen, um noch einige Feierabendsonnenstrahlen durch meine Poren aufzusaugen und Wärme zu tanken.

Inzwischen kommen alle wieder an Bord und auch die letzten Beiden - upps, nein nur einer der letzten Beiden fehlenden Bordgäste - erreichen unser Seegefährt. Somit werden wir nur 5 Passagiere sein - inkl. Skipper!! Ist das nun gut oder schlecht?

Für die Kabinenverteilung scheint es vorerst gut zu sein. Für die spätere Stimmung innerhalb der Crew sollte sich diese geringe Anzahl von Multiplikatorindividuen als unhomogene Gruppe hinderlich für einen neutralen, offenen toleranten Umgang miteinander erweisen. Je weniger Menschen auf engstem Raum über einen längeren Zeitraum hinweg sich einer gemeinsamen Aufgabe stellen, desto unterschiedlicher und polarisierender fallen Meinungen und Einstellungen aus wie ins Gewicht. Die Fahrt entwickelt sich zur Millieustudie. Die Situation entwickelt sich tag für tag in Richtung Höhepunkt und mit ihr nimmt die Atmosphäre proportional bis ins unterste Kellergeschoss ab.

Geprägt ist der Törn durch Verhaltensweisen 5 unterschiedlicher Charaktere, davon 3 Männer und 2 Frauen. Allen voran ist da der Skipper, der seiner Aufgabe zu begeistern, zu motivieren, zu führen, zu lehren, mizureißen, mit gutem Beispiel voranzugehen, großartig zu sein in seinem Fach und seiner sozialen Kompetenz mitnichten nachkommt. Dafür werden wir Gäste mit äußerstem Negativismus, Sarkasmus, Frauenfeindlichkeit,  verbalen Tonentgleisungen, Beschimpfungen und indiskutablem unsozialen Team störenden Verhalten durch den Skipper "beglückt". Damit paaren sich Unerfahrenheit, Ahnungslosigkeit, Unsportlichkeit durch massives Übergewicht sowie Bösartigkeit nach frei nach alter Stasimanier durch einen Gast an Bord - was im Lauf der Woche gut harmoniert mit dem Standardfrust des sich aufgegeben habenden Skipper. Parallel wird die Mischung gefärbt durch die Unerfahrenheit eines weiteren Gastes, der zudem aufgrund eines offensichtlichen Alkoholproblems dazu neigte, vorhandene Gemeinschaftsvorräte von Bier vorschnell zu bekämpfen oder weitere selbst erworbene Hopfengetränke in der eigenen Kajüte zu bunkern. Dies noch toppend zeichnete dieser Passagier sich durch einen herzerfrischenden, großen Minderwertigkeitskomplex aus, der für einige Lacher in der RUnde sorgte, was wiederum die Stimmung sporadisch aufhellte. Als Grabredenschreiber fand sich A. zum Beispiel gerade noch gut genug, an Bord nie niedersten Arbeiten übernehmen zu können und äußerte dies hilfsbereit und sehr überzeugend. Wen würde bei diesem nicht vorhandenen Selbstwertgefühl die Neigung zu einem derartigen, täglichen Bierkonsum noch wundern?

Mittendrin ist da noch Anna, die Jüngste an Bord und Ärztin von Beruf. Sie analysiert die Dinge auf dem Wasser stets messerscharf und scheut keine Konfrontation mit dem Skipper oder teilt schon mal gern die eine oder andere Spitze gegen die Schwächen der anderen aus. Schockiert ist sie über die Erklärung unseres Skippers unheilbar erkrankt zu sein und eigentlich keine Genehmigung von seinen Ärztinnen für diesen Törn bekommen zu haben! Ich stimme da voll zu. In einem Fall einer akuten Infektion mit heftigen Fieberschüben wären wir als unprofessionelle Segelcrew nicht in der Lage gewesen, das Boot und uns heil nachhause zu bringen. Eine grob fahrlässige Organisation seitens der Törnplanung - finden wir. Rechtlich wäre ein Unfall vor diesem Hintergrund wohl kaum zu verteidigen vor einer Versicherung oder anderen Institutionen. Ich frage mich im weiteren Verlauf des Törns über die Beweggründe der Sportschule, diesen kranken Skipper segeln zu lassen und habe von nun an immer 3 Fragezeichen im HInterkopf.


No comments:

Post a Comment