Saturday, November 07, 2009

Fishermen's Hut und Delphine

Am Samstag Nachmittag - mein erster Tag allein im Tauchladen, weil Tommy für 8 Tage auf die DEMA nach Florida zum Course Director update geflogen ist - nach Feierabend so gegen 15.00 Uhr starten Dik, Eduart und ich zum Tauchplatz Fischermen's Hut. Ed wird auf Bonaire als Tauchlehrer arbeiten und braucht dringend wieder neue Guide-Erfahrung. Also wird er uns als Pseudogäste führen, das Briefing übernehmen und unsere Sicherheit überwachen. Lustig ist, dass Dik mit seinen 150 Jahren Erfahrung einfach mal den PADI Buddycheck aus den Angeln hebt und Ed seine eigene Variante präsentiert. Auch mir scheint diese Prioritäten bezogener und logischer zu sein. Doch offiziell als PADI Instructor müssen wir auch PADI Checks lehren. So beginnt er mit der Atemluft - ist die Flasche geöffnet, sitzt sie fest und strömt aus beiden Automaten Luft, wenn man Luft zieht. Luft ist das wichtigste - ohne Zweifel - erst dann checkt er Schritt für Schritt den Rest der Ausrüstung. Hintergrund dieser Reihenfolge ist seine Meinung darüber, dass Schüler die PADI Reihenfolge nach Lehrbuch leichter vergessen, weil sie jedesmal darüber nachdenken müssen, als eine eigens nach realistischen Prioritäten geordnet verinnerlichte Reihenfolge. Ist nicht von der Hand zu weisen, Herr Padi, oder? Aber wie schon oft diskutiert, wird Luft beim Tauchen überbewertet (woher hab ich das noch gleich...;-)), wie mir hier auch schon gesagt wurde. Also lege ich diesen Buddycheck in die Schublade neben dem P-Check ab.

Sei es drum, Ed ist Dive Guide heute und Dik mein Buddy. Beim Abstieg ist dieser ganz schnell unter Wasser, während wir noch die Luft aus unseren Jacket lassen. Nun denn, unten formieren wir uns gleich und schweben Richtung Riff. Ed, als neuer Guide mit langer Taucherfahrungs- und Guidepause geht zügig abwärts - mit uns im Schlepptau, wobei ich hinter meinem Buddy bleibe und langsamer abtauche. Da ist es wieder - das alt bekannte Gefühl der Enge und des Herzklopfens. Wir sind inzwischen bei 23 Metern und ich stoppe, um auf dieser Tiefe zu bleiben. Der Abstand zu meinem Buddy vergrößert sich und ich frage mich, warum er nicht reagiert. Er hat sich noch nicht umgedreht. Dies ist genau die Situation, die wir beim Süßwassertraining immer zu vermeiden schulen und lehren. Den Buddy immer im Blick behalten und sicher sein, dass er ok ist, ist unsere oberste Prämisse. Doch ich tauche hier mit einem 17 Jahre Globetrotter-Meertauchlehrer, der anscheinend auf diese Idee nicht kommt, dass beim Abtauchen ein Problem auftauchen kann. Also versuche ich auf mich aufmerksam zu machen, denn für eine Rückkehr ist es eigentlich zu spät und ich entscheide, bei den beiden zu bleiben.
Ich mache Tempo, gebe Kraft in die Beine und somit Vortrieb in meine Flossen, um Dik zu erreichen. Er geht tiefer, wonach mir gerade nicht ist. Ich versuche ihn mit meinen Flossen an seinen Flossen zu stoßen, was mir auch gelingt. Keine Reaktion. Jetzt nervt mich die Situation einfach nur und ich drehe mich wieder mit dem Kopf nach vorn und schwimme mit ganzer Kraft und ziehe ihn an den Flossen. Das wirkt immer!

Er dreht sich und sieht mich eine Geste des Unverständnisses und der Aufforderung langsamer zu tauchen, wobei ich auf meine Brust um die Herzgegend deute, um ihm anzuzeigen, dass ich wieder das Problem von meinem Guide-Tauchgang habe. Zum Glück ist es diesmal geringer ausgeprägt und ich bin weniger unsicher. Er deutet mir an, direkt neben ihm zu tauchen, damit er nahe an mir dran ist. Ich denke nur: ja, was meinst Du, was ich hier versuche auf der Ferrari-U-Boot-Strecke, ihr Unterwasser-Schumis! Und das, obwohl Dik normalerweise angenehm langsam taucht... Aber diese Aufforderung und die Tatsache, dass er nun über mein Befinden Bescheid weiß, beruhigt mich und ich konzentriere mich auf die Riffe und deren Bewohner. Natürlich weiß ich, dass Ed als neuer, reaktivierter Guide nervös sein muss und deshalb ein solches Tempo an den Tag legt. Andererseits dürfte das Tempo für mich eigentlich kein Problem darstellen. 1. Weil ich das selbst am Anfang praktiziert habe und 2. weil ich in der Lage sein muss, einem davon schießenden Taucher im Ernstfall hinterhertauchen zu müssen.

Während wir so dahingleiten, mache mir darüber Gedanken, ob ich als Tauchguide und zum Tauchlehrer ausreichend taugen werde oder ob ich dafür eine zu besorgte oder gar ängstliche Natur bin. Diese Zweifel bestürzen mich und machen mich traurig, weil das Meer für mich eine sehr wichtige Lebensgrundlage für mein Gefühlsleben bildet und ich mich im Wasser, auf dem Wasser und unter Wasser eigentlich immer extrem wohl fühle. Ich will diese negativen Gedanken also nicht als geschrieben hinnehmen und denke erst einmal nicht darüber nach. Immerhin ist es das erste Mal, dass ich so oft im Meer hintereinander auf diese Tiefen gehe. Mit dem Straussee bei Berlin hast das nichts zu tun ;-)...

Logische Folge meiner Tauchgangsnervosität ist, dass ich früher als die beiden bei 100bar angelangt bin und ich Ed, unserem Pseudo-Guide, ein Zeichen geben muss, damit er umkehrt. Wieder eine neue Erfahrung, die ich machen muss. Was tun, wenn der Guide 15m vor einem schwimmt. Hinpreschen und an den Flossen ziehen? Das wäre närrisch. Also zeige ich Dik meinen Luftvorrat an und deute an, dass ich unseren Guide nicht informieren kann, weil er zu weit weg ist. Natürlich zieht Dik gleich die Lösung aus seinem Jacket: den Shaker! Laut genug, um auf 50m Entfernung Signale unter Wasser geben zu können. Tja, hätte ich mir doch schon einen solchen Unterwasser-Gettoblaster angeschafft. An meinen Tankbanger glaube ich ja nicht auf die Entfernungen und habe ihn natürlich nicht mit! Schlechte Entscheidung! Nächstes Mal ist er dabei!

Überrascht von der Lautstärke des Shakers und gleichzeitig erleichtert, dass Ed sich rasch umdreht und ich ihm endlich den Stand meines Luftvorrats signalisieren kann lege ich die rechte Hand flach auf die Fingerspitzen der aufrecht stehenden linken Hand – 100bar. Unser Guide Ed macht die erforderliche Kehrtwende und wir tauchen in der entgegen gesetzten Richtung am Riff hinauf, um uns langsam dem einstigen Einstieg zu nähern. Die Kehrtwende hätte vielleicht weniger abrupt ausfallen können und anstatt fast 180 Grad in uns hinein schwimmend eher als seichter Bogen zurück in höhere Tiefen ausfallen können.

Nach diesem kuren Verlust der vollständigen Kontrolle meiner Tauchaktivität bin ich reichlich geknickt und überlege wieder, woran es gelegen haben könnte und ob diese Momente sich verstärken oder vielleich verringern werden. Da es reine Kopfsache ist und ich weiß, dass ich sie aus diesem Grund steuern kann, hege ich die leise Hoffnung nach Besserung.

Als erstes gehe ich aus dem Wasser und lege mein Equipment ab, auf die Ladefläche unseres Diveshop-Pickups. Die Beiden kommen hinter mir aus dem Wasser und bemerken natürlich meine geknickte Stimmung. Auf der Heckklappe des Wagens sitzend und der sinkenden Sonne zusehend bin ich den Tränen nahe, weil ich plötzlich die Befürchtung habe, mit dem Tauchen ein Problem zu entwickeln. Daran hinge wiederum der Zerplatzen meines Arbeitswunsches in den Tropen während der europäischen Winter. Was, wenn ich nicht fähig bin zum professionellen Tauchen, Lehren und Unterwasseragieren mit Gästen? In diesem Fall würde Bonaire nur ein simpler Versuch dieses Traumes bleiben.

Die Sonne hat das Meer mittlerweile in das warme Licht eines wunderschönen Sonnenuntergangs getaucht. ind Ed lassen mich eine Weile allein, während sie ihr Equipment ablegen und sich Zigaretten drehen. Plötzlich sehe ich einen grooooßen Fisch aus dem Wasser herausspringen und gleich wieder verschwinden. Abrupt werde ich aus meinem Selbsmitleid gerissen und rufe nach den Beiden.... Was?? Ich habe einen wirklich großen Fisch gesehen!! Dort! In der vermuteten Richtung tut sich nichts mehr. Wir fixieren den Horizont und suchen jede Welle ab. Nichts. Was war das? Ein Marlin vielleicht? Auf keinen Fall sah es nach einem Hai aus. Oder soll es ein Delphin gewesen sein???

Nach 2 Minunten den Blick nach links gerichtet schreie ich beinahe auf! Dort wieder! Ganz hoch springt er aus dem Wasser! Es ist kein Fisch! Es ist ein Delphin!! Nein! Es sind 2! Nein 3 - 4 -5!!! Wir sind uns nicht sicher und sehen eine Gruppe Delphine meterweise aus dem Wasser springen. Die tanzenden schwarzen Silhouetten im Sonnenuntegang erfüllen mich mit tiefer Freude und Dankbarkeit! Welch ein positives Zeichen nach diesem Tauchgang! Gleichzeitig wird uns klar, dass wir die Gruppe unter Wasser gerade verpasst haben, weil ich zu früh zu wenig Luft übrig hatte. Das macht mich wiederum etwas traurig. Aber so ist es nun einmal.

Dik beginnt jetzt mir nach und nach Fragen zu stellen, um herauszufinden was los war. Er hat eine wunderbar ruhige Art und lässt anderen Menschen viel Raum im Gespräch durch eine große Offenheit und eine noch angenehmere Lockerheit und sehr sympathischen Witz! In diesem Moment profitiere ich von seiner sanften Art und ich fange an, meiner Enttäuschung Luft zu machen und spreche auch das schnelle Abstiegstempo an. Erst dann erfährt Ed, was eigentlich los war. Natürlich muss ich Ed Recht geben, dass das Tempo kein Problem sein darf, weil ich im Ernstfall einem tief abtauchenden Taucher hinterher schießen können muss. Nur ist mir jetzt nicht nach einer solchen Betrachtungsweise und ich empfinde das heutige Erlebnis als herben Rückschlag. Beide geben mir ihre Sichtweise, Erfahrung und Vermutung über diese Situation und reden mir auch gut zu. Ein solches Erlebnis sollte ich - auch wenn es öfter vorkommt - nicht überbewerten und in den Griff bekommen. Dies würde schon von allein weggehen, wenn ich darauf vorbereitet sei und es aktiv angehen könne. Sie geben mir viele Tipps und erzählen von ihren im Vergleich wesentlich extremeren Erlebnissen unter Wasser.

In diesem Austausch von Erfahrungen und Ideen verinnerliche ich einige Ansätze, um einem zukünftig auftretenden Panikanflug vorbereitet entgegensehen und ihm konstruktiv begegnen zu können. Wir Menschen sind nicht für das Unterwasserleben geschaffen und erleben wahrscheinlich einfach Situationen, die uns unsere Grenzen verdeutlichen und diese auch verdeutlichen sollen. Ein Ansatz den ich als positiv verbuche, weil er mich bewusst vorsichtig hält.

Auf der Rückfahrt und später zuhause bei Bier und Abendessen reden wir weiter über Möglichkeiten und Umstände, derartige Erlebnisse zu verarbeiten und zu sehen. An diesem Abend nehme ich ein ganzes Paket Wissen mit nachhause und denke noch lange über das Erlebte unter Wasser sowie auch den Delphintanz im Sonnenuntergang nach. Ein weiterer denkwürdiger Tag geht für mich zuende.

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