Tuesday, November 03, 2009

An eigenen Grenzen stoßen – Fortsetzung …

Nach meiner Dekostoppgrenze, die ich zukünftig auf jeden Fall vermeiden will, denke ich, wenn ich nun meine Wissen und meine Erfahrung zusammen nehme und weiterhin vernünftig tauche, kann ja nichts mehr schief gehen. Die meisten Tauchunfälle passieren aus Leichtsinnigkeit und Selbstüberschätzung sowie dem Ignorieren des Gelernten. Dagegen bin ich mental eigentlich versichert. Auf meinem Tauchgang zu den „Unsichtbaren“ sollte ich dennoch eines Besseren belehrt werden – nämlich des Unkalkulierbaren.

Langsam gehe ich mit Luc über die Riffkante hinunter und sehe plötzlich einen riesigen Rifffelsbrocken vor mir. Ca. 15m vom schräg abfallenden Grund erstreckt sich der finster im dunkleren Meer stehende Brocken, den wir umrunden wollen. Dahinter fällt das Grund weiter steil ab und das Meeresblau wir zu einem dunklen Blau sogar fast schwarz absorbiert. Imposant! Denke ich noch und bemerke plötzlich aus dem Nichts kommend, wie mir mein Kreislauf von jetzt auf sofort erhöhte Aktivität mit viel zu schnellem Herzklopfen beschert. Der Kopf wird urplötzlich heiß, die Atemwege eng. Ich verspüre schnell Adrenalinschübe, die mich schneller Atmen lassen. Was ist denn los?? Ein völlig neues Gefühl überrascht mich in 30 Metern Tiefe und ich muss es in den Griff bekommen – jetzt und hier. Ich habe das Gefühl an die Oberfläche zu wollen und erinnere mich zeitgleich an die verhehrenden Konsequenzen, die diese Entscheidung zur Folge hätte. So schnell wie ich in diesem Moment hinauf will, kann es mein letzter lebendiger Moment sein oder ich ziehe mir zumindest mit größter Wahrscheinlichkeit ernsthafte Dekoverletzungen und Lungenrisse etc. zu. Da mir das alles in einem Bruchteil einer Sekunde bewusst wird, während ich überlegend an die Oberfläche schaue und dann auf meinem Computer, drehe ich mich zu Luc um und gebe ihm Signal – deute auf meine Brust, unter der das Herz liegt - dass ich nicht ok bin. Ich zeige ihm an aufzusteigen, weil mein seltsames Engegefühl nicht aufhört. Er bestätigt und ich merke, dass ich beschleunigen will! Falscher Wunsch! Aus der Vergangenheit weiß ich, dass diese Anzeichen vom Herz ausgehend reine Kopfsache sind und kein körperliches Versagen anzeigen. Aus dieser Erfahrung kann ich mich zum Glück kontrollieren – außerdem weil ich in dieser Situation noch für jemand anders Verantwortung trage.


Wahrscheinlich ist der nächste Schritt kein typischer eines Profis, der als Guide unterwegs ist, doch ich folge meinem Instinkt und entscheide mich, mir von Luc – meinem Gast - helfen zu lassen und bitte ihn, während des Aufsteigens in geringe Tiefen meine Hände zu halten. Dabei halten wir Blickkontakt. Siehe da - nach einem kurzen Moment von ca. 3m geht es mir etwas besser und ich bemühe mich nicht zu schnell aufzusteigen. Das Piepen meines Computers ist eine hilfreiche Warnung. Wir gehen weiter. Plötzlich entspannt sich mein Körper…auf ca. 23 Metern lösen sich die Verspannung und das Engegefühl und ich signalisiere, erst einmal diese Tiefe zu halten. Nach dem pumpenden Atmen in diesen erschreckenden Minuten bleibt ein leichtes Zittern in den Händen als einziges Übrigbleibsel und ich bin wieder tauchfähig. Obwohl ich kurz überlege, den Tauchgang aus Risikogründen abzubrechen, denke ich, dass es von nun an ohne Zwischenfälle weitergehen kann, bzw. dass es besser ist, weiterzutauchen, um dem negativen ein positives Erlebnis folgen zu lassen. So drehen Luc und ich uns in unsere geplante Richtung und steigen wieder ab. Dabei beachte ich vorsichtig weitere Reaktionen in mir und die Tiefe in die wir gehen. Tatsächlich schaffe ich entspannt die Umrundung des Felsens bei 33m – was im Normalfall keinerlei Probleme hervorgerufen hätte – und führe Luc auf dem Rückweg zur Riffkante, die wir dann noch auf und ab tauchen. Wie eine positives Zeichen und eine Perspektive in die richtige Richtung entdecken wir plötzlich ein purpurrotes Seepferdchen! Fest um eine Koralle gewickelt hält es sich im Wiegen der Wellen und lässt sich anscheinend in den Schlaf schaukeln J. Etwas später versucht sich ein Scorpionfisch als Felsen zu verkleiden und liegt von einem Moment auf den nächsten bewegungslos im Sand, um die gleichen Strukturen und Farben seines Umfeldes anzunehmen. Einfach fantastisch zu beobachten!


So nimmt dieses Taucherlebnis ein noch schöneres Ende als es begonnen hatte. Der Zwischenfall verliert vor dem Hintergrund des Ganzen an Bedeutung, als wir wieder an der Oberfläche Richtung Ufer schwimmen. Trotzdem bleibe ich nachdenklich, weil ich nun das erste Mal mit einem absolut unkalkulierbaren plötzlich auftretenden Problem konfrontiert war, und versuche bis jetzt, dieses Erlebnis einzuordnen und somit für die Zukunft kalkulierbar werden zu lassen – sollte es wieder auftreten. Auf der Proebene darf dieses nämlich nicht passieren, weil der Guide die Verantwortung für die Gäste und den Tauchgangsverlauf trägt. Eigene Probleme haben dabei keinen Platz. Aber das wird schon alles gut!

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