Wednesday, January 06, 2010

Wenn Barracudas wirklich nervös machen können...

Es ist ruhig im Shop. Außer telefonischen Anfragen nach Tauchpaketen und Leihequipment sowie der Einweisung unserer neuen Divemasterkandidatin in Training passiert nichts. Dik, Petra und ich überlegen uns, mit welchem Grund wir ins Wasser kommen. Petra ist hier, um mit mir tauchen zu gehen und mich nicht als Guide zu engagieren. Weil Tauchen mit Petra immer am schönsten ist, wie ich vor einiger Zeit in Berlin festgestellt hatte, will ich auch am liebsten mit ihr herunter. Das Tauchen mit Dik ist ähnlich schön. Uns fehlt jedoch eine gemeinsame Vorgeschichte unter Wasser. Eine Vorgeschichte, durch die ich mich ganz stark mit Petra verbunden fühle, weil sie mich ausgebildet hat. Zu ihr habe ich das größte Vertrauen unter Wasser, was mir einzigartig entspannte Tauchgänge ermöglicht - etwas das ich versuche zurückzugeben. Darum gebe ich stets viel auf ihre Aussagen in Gesprächen über die Unterwasserwelt, Equipment, Ausbildung oder Verhaltensweisen. Äußerungen von anderen Tauchern halten aus meiner Sicht wenig bzw. nur teilweise mit. Lediglich Dik's Erfahrungen und Ansichten sind hier auf Bonaire für mich ebenfalls spannend sowie Tommy's Anekdoten vor einem noch größeren Tauchhintergrund als erfahrener Tauchlehrer und Course Director - alles in allem eine geballte Ansammlung von unendlichen Geschichten aus aller Welt über und unter den Wellen.

Dass ich heute allerdings in den Hochgenuss kommen würde, mit meinen beiden Lieblingsbuddies abtauchen zu dürfen, ergibt sich erst recht kurzfristig. Dank eines pragmatischen Shopchefs sitzen wir drei - Petra, Dik und ich im Shop-Pickup, rufen unserem Thommy ein fröhliches Tschöhö zu und starten zu unserem Fun-Dive am heutigen Nachmittag an der Hilma Hooker!

Rin - runter - los! Wie war das gleich ;-)? Petra und ich rufen uns kurz ein ok zu und lassen die Luft aus dem Jacket. Am 6m tiefen Grund wartet Dik bereits auf uns und wir formieren uns in Richung Riff. In ca. 20m Entfernung schon erkennen wir das 70 Meter Wrack schemenhaft im Schein der Schwebeteilchen und steuern es direkt von seiner Rückseite aus an. Durch seine exakte Versenkung parallel zum Riff schweben wir bereits nach 5m Grundzeit über die Seitenwand zur Reeling. Vor uns tut sich ein 20 Meter tiefer Abgrund auf - in der Breite des Schiffs - der durch einen weiß leuchtenden Sandboden aufgehoben wird. Wir gehen vorn über die Kante und tauchen auf der seitlich liegenden Vorderseite, die wie ein Felsüberhang steht und steuern in Richtung Deckboden. Es gibt mittlerweile einige offene Luken ins innere des Wracks sowie noch kleine Aufbauten, die sich uns entgegenstrecken. Unter der vorhängenden Wrackseitenwand stehen gleich erst ein dann 2 und danach 3 Tarpone unbeweglich wie in einem Gemälde.

Wir schwimmen an der Innenseite des umgekippten Schiffswracks entlang und lassen uns von der mysteriösen Aura dieses mächtigen dunklen Eisengebildes einfangen. Unter uns reflektiert der schneeweiße Korallensand auf dem 33m tiefen Grund das durch die Wassermassen hineinstrahlende Sonnenlicht und lässt so das ehemalige Schiff sich auf weichen, hell schimmernden letzten Laken betten. Neben dieser 70m langen Ruhestätte auf Blech und Nieten müssen wir wie unscheinbare Eindringlinge in einer fremden weit entfernten Welt erscheinen. Lediglich unsere durch das Ausatmen aufsteigende Luftblasen lassen auf unsere reale Herkunft vom Planeten Erde schließen. Vom Grund etwas aufsteigend oder näher an die linkseits liegende Deckseite heranschwimmend bewegen wir uns mittlerweile im Alleingang und gleichzeitig als Teil einer nun leicht auseinandergedrifteten Gruppe an die für uns ganz individuell besonders spannenden Wrackabschnitte. Durch Korallen bewachsene Wand- und Deckenoberflächen oder Hebeseile sowie mit Grünalge bedeckter Schiffsrumpf ziehen uns in den Bann. Algenbewuchs ist kein gesundes Zeichen und deutet auf den Verschmutzungsgrad des Gewässers in der entsprechenden Gegend hin.

Kleinste Riffbewohner entdecken wir in den zur Wasseroberfläche gerichteten Bullaugen der Hilma sowie kleine Krabben mit ihren bunten Scheren, die leider viel zu oft auf die Teller von Gourmetküchenkonsumenten landen. Von oben gehen wir wieder hinunter auf die Mitte der Schiffsbreite und erreichen langsam den Bug. Dik wühlt noch etwas im Sand, während Petra noch die kleinsten Scherentierchen, Babyfische, Korrallenarten und anderes studiert als ich vorm Bug in Richtung Riff schaue - woran sich die Hilma ganz gemütlich anlehnt und so nicht nach hinten wegkippen kann. Im Schatten des Schiffsrumpfs zwischen dem Wrackkörper und der Riffkante auf ca. 4 Metern vom Grund erstreckt sich ein stattlicher pfeilspitzen gerader Rumpf, der bewegungslos in perfekter waagerechter Wasserlage das Geschehen in seinem Revier beobachtet. Das muss ich mir näher ansehen und schwimme langsam wenige Meter in die Richtung dieses besonders großen Wesens mit einer Statur, die mich sofort an einen Barracuda erinnern. Dann sehe ich sie! Die 2 blitzenden Augen am Kopf dieses dreimal ausgewachsenen Exemplars eines respektablen Raubfisches!

So schnell habe ich wahrscheinlich meinen Shaker noch nie zur Hand gehabt, um Alarm zu schlagen! Sofort will ich mit Petra und Dik diesen Anblick teilen! Die Beiden waren zum Glück wieder ganz in der Nähe und so rasch zur Stelle. Gebannt richten sich von nun an 6 Augen auf den beachtlichen Räuber und lassen diesen nicht mehr aus dem Visier! Einen solchen Barracuda sollte man im Auge behalten. Langsam nähern wir uns, schauen ihn an. Als wir etwa 3m vor ihm liegen schießt plötzlich ein zweiter dieser Größe in blitzartigem Tempo in unsere Szenerie und drängt den ersten beiseite. Ich schaue mich instinktiv nach weiteren hungrigen Mäulern um. Nichts. Anstatt sich um den guten Platz zu streiten, formieren sich die beiden Einzelgänger schnell und richten sich unabhängig voneinander in unsere Richtungen als wir langsam an ihnen vorbei schwimmen. 1 Meter Abstand zu 2 Riesenexemplaren von ca. 1,50m Länge dieser Raubfischart und den besten Blick aus erster Reihe auf schmale langgezogene, spitze Zähne, die vom Unterkiefer über die Oberlippe der 2 geräumigen Mäuler hinüberreichen sowie den ständigen Blickkontakt mit 4 dunkel blitzenden großen uns neugierig und sehr interessiert anstarrenden Augen dieser silber schillernden pfeilartigen Barracudakörper mit dunkel schimmernden Streifen auf beiden Seiten machen mich leicht nervös und ziehen mich völlig in ihren Bann. Welch ein Moment! Die Spannung ist zum Zerreißen, als wir an den Kumpels vorbei schwimmen und diese sich mitdrehen und uns fokussieren! Jungs wir sind zu groß und zu eingepackt, als dass wir als Happen schmackhaft wären!! Leicht drifte ich kurz nach oben, um etwas aus der Schusslinie zu gleiten, doch Petra hält mich auf gleicher Höhe. Gruppenformation ist in dieser Situation wohl angebracht. Wir bewegen uns in dem engen Tunnel zwischen der Rückseite des Hilmarumpfes und der Vorderseite des Riffs im unteren Bereich, der nur wenige Meter zwischen den Wänden Platz lässt. Langsam gleiten wir hier weiter in Richtung Heck und schauen und einige Male nach den Barracudas um. Sie verlieren ihr Interesse und schwimmen ihres Weges. Petra und ich schauen uns mit großen überraschten Augen an. Diese Begegnung hätten wir uns in den verrücktesten Träumen nicht vorstellen können. Gerade weil Bonaire ansonsten kaum größeren Fisch zu bieten hat. Doch diese Jungs waren eindeutig eine unerwartete Ausnahme und die Krönung unseres Hilma Tauchgangs.

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